Liegt das Problem des FC Bayern nicht ganz woanders?
Ancelotti, Kovač, Flick in seiner 2. Saison, Nagelsmann und jetzt Tuchel…junge, motivierte Trainer und erfahrene Trainer. Sie alle haben eines gemeinsam – lange waren sie nicht (im Fall von Tuchel noch nicht) beim FC Bayern. Die Entwicklung nahezu jedes Mal die gleiche. Am Anfang war alles gut, dann wurde plötzlich den ersten Spielern Unzufriedenheit attestiert, und schwupp hieß es, der Trainer „hat die Kabine verloren“. Das ist das Umfeld, das sich der FC Bayern allerdings selbst geschaffen hat. Vielleicht sogar schaffen musste. Irgendwie.
Denn schließlich ist man ja ein Wirtschaftsunternehmen. Und dass dieses funktioniert, hat oberste Priorität. Denn sonst kann man keine teuren Spieler mehr kaufen, keine teuren Gehälter mehr zahlen, den Spielern kein teures Umfeld mit der besten medizinischen Betreuung mehr bieten. Dazu wiederum muss man die besten Werbeverträge abschließen, die nunmal, gerade in der erforderlichen Preisklasse, nicht wie Sand am Meer zu finden sind. Insofern muss man schon mal auch solche nehmen, die bei Fans nicht so gut ankommen. Weil sie moralisch bedenklich sind.
Auf der anderen Seite preist man das „Mia san Mia“, was ja auch wichtig ist. Die Fans wollen, böse gesagt, bei Laune gehalten werden. Man braucht sie ja. Für die Einnahmen, für die Stimmung. Und, nicht mehr so böse gesagt, man will es ja auch, man möchte als Fan-naher Verein gelten. Also hat man hier einen Konflikt. Und Unruhe.
Und dann braucht ein Wirtschaftsunternehmen, also ein Verein, der auch auf europäischer Ebene oben mitspielen will, auch noch die TV-Gelder. Und die können nur einige wenige in der erforderlichen Höhe bieten. Kleine Redaktionen oder Journalisten, die keine Millionen auf dem Konto hinter sich haben, aber zur journalistischen Vielfalt beitragen würden, und die vielleicht ehrlich und nach dem journalistischen Eid (ja, den gibt es!) über den FC Bayern berichten würden, haben keine Chance, ein Interview zu bekommen. Eine Akkreditierung für die Spiele aus Exklusivitäts-und Rechtegründen sowieso nicht. So berichten eben nur einige wenige, und die müssen täglich liefern. Was eigentlich nicht möglich ist. Denn nicht immer gibt es relevante Themen und die Zeit, diese journalistisch wirklich korrekt aufzubereiten (Fakten zu prüfen, die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen usw. usw.), die haben sie nicht. Sonst ist das Thema durch oder die Konkurrenz war schneller. Wozu das in den letzten Jahren bis heute geführt hat, brauche ich euch nicht zu erklären. Da eine Story, dort eine geschickt als Tatsache verpackte Vermutung. Oder der 10. „Experte“, der etwas sagt, nur um etwas zu sagen. Aktuell gipfelte diese Entwicklung sogar in einem Streit zwischen „Experten“ und Trainer. Der nächste, vielleicht der größte Unruheherd.
Da hat sich also ein Umfeld entwickelt, das nur noch schwer kontrollierbar ist. Der Spagat zwischen dem, was im Hintergrund steht, ja stehen muss, dem Wirtschaftsunternehmen „FC Bayern“ – und dem, was uns Fans das Allerwichtigste ist: der Sport, die Siege. Fans zeigen ihre Meinung mittlerweile immer deutlicher. Und das ist auch gut so. Aber wenn ich immer wieder von anderen Fans Sätze höre wie „Keiner ist größer als der Verein“, dann muss man auch als Fan leider all das berücksichtigen, was im Hintergrund eines Vereins von der Größe des FC Bayern abläuft. Und von dem wir – eigentlich zum Glück – wahrscheinlich nur einem Bruchteil mitbekommen.
Denn den FC Bayern als großen Sportverein und den FC Bayern als Wirtschaftsunternehmen, das kann man nicht mehr trennen. Da darf man sich, um nur ein ganz kleines Beispiel zu nennen, auch nicht darüber ärgern, wenn sich Logenbesucher die Spiele nicht wirklich ansehen. Denn auch sie finanzieren vermutlich die günstigeren Stehplätze mit. Da kann man nicht mehr jede Entscheidung mit einem Stimmungsboykott bestrafen. Obwohl man sich als Fans dieses Recht nicht komplett nehmen lassen sollte. Aber abgesehen davon, das auch das wieder Unruhe reinbringt, es wird sich nicht viel ändern können, wenn der Verein weiterhin zu den ganz Großen im Sport zählen will.
Und das ist meiner Meinung nach gerade das größte Problem beim FC Bayern. Nicht der 5. Trainer, der die immer gleichen Probleme attestiert bekommt. Da haben wir aktuell einen der begehrtesten Trainer Europas, und schaffen es wieder nicht, ihn in Ruhe seine Arbeit machen zu lassen. Denn das wirkliche Problem ist es meiner Meinung nach, diesen immer größer werdenden Spagat zwischen Wirtschaftsunternehmen und Sportverein zu schaffen.
Immer mehr wollen mitreden, immer teurer werden die Gehälter, um Spieler zu locken, immer mehr wird über alles und jeden geschrieben und gesprochen. Immer näher wollen alle am Geschehen dran sein. Und sind es doch nicht. Und auf der anderen Seite werden die immer schwerer zu findenden Sponsoren und Werbepartner immer kritischer beäugt. Werden die Vorhänge, hinter denen trainiert wird, immer dichter. Das ist wohl das sichtbarste Zeichen dieser Diskrepanz. Früher gab es keinen solchen Vorgang. Früher gab es auch keine speziellen Tage für ein öffentliches Training. Wir haben einfach jeden Tag zugeschaut. Und es hat funktioniert. Wirtschaftlich wie sportlich… Und heute?