Boykott
International

Sandro Wagner liefert die Bestätigung

Mit seinem Ausspruch über die „katarischen Bademäntel“ hat Sandro Wagner genau das bestätigt, was Kataren und, ja, auch Infantino in seiner zugegebenermaßen merkwürdigen Rede, an uns kritisiert haben. Wagner zeigt mit seiner gedankenlosen Aussage genau diese deutsche Überheblichkeit. Und, dass wir den Kataren unsere Werte überstülpen wollen, ihre Kultur aber weder respektieren noch ernst nehmen. Da kann beim ZDF noch so sehr vom Zeitpunkt voller Emotionen wegen des Spiels gesprochen werden. Da kann noch so oft betont werden, dass Wagner ein toller, aber eben flapsiger Experte sei. Sein Spruch ist und bleibt ein despektierlicher Ausdruck, der deutlich macht, was Wagner von der katarischen Kultur hält.
Schade, denn die Berichterstattung des ZDF aus und über Katar finde ich bisher bis auf wenige Ausnahmen sehr ausgewogen, genau die richtige Mischung aus kritischem Blick in den Hintergrund und Spielberichten. Eigentlich wollte ich in diesem Blog-Artikel genau das thematisieren. Dieser Eindruck hat nun dank Sandro Wagner einen gewaltigen Knacks bekommen, zumindest, wenn das keine Konsequenzen nach sich zieht.


Wir sollten nicht das Land an sich verurteilen, denn das sind 2 paar Stiefel – das Land, die Menschen, die Kultur, die Fans auf der einen, der Staat und bei so einem Turnier noch der uns allen bekannte Verband mit den etwas seltsam anmutenden Autritten und Aussagen seines Chefs Infantino.


Doch wie kann man dem Verband seine Missbilligung ausdrücken, ohne den Menschen dort zu schaden, die schon genug hinnehmen mussten und müssen? 


Wie gesagt, Infantinos „Monolog“ hatte leider durchaus auch einen Kern Wahrheit. Und die Möglichkeit zu solchen Reden präsentieren wir ihm leider immer wieder auf dem Silbertablett. Nun also in Form von Sandro Wagner.


Wir Europäer neigen dazu, unsere Ansichten, Neigungen und Wertvorstellungen als die einzig richtigen anzusehen. Eine Dame aus Ecuador hat einmal gefragt: Was ist Wohlstand? Ist Wohlstand wirklich, Fleisch vollgepumpt mit Antibiotika, zu kaufen, nur weil es billiger ist? Bedeutet Wohlstand wirklich, überall mit dem teuersten Auto hinfahren zu können und viel Industrie zu haben, die Abgase in unsere Atemluft pumpt, anstatt eine Natur zu erhalten, die für die Menschheit auch in 10, 20 Jahren noch lebenswert ist? Wohlstand bedeutet für uns eine florierende Wirtschaft, Industrie, Macht und Geld. Alles zu haben und alles zu dürfen.

Menschenrechte, das hat auch die Pandemie deutlich gezeigt, bedeutet für viele, die Freiheit, das zu tun, was man will, im Notfall eben ohne auf anderen zu achten. Menschenrechte heißt für viele, vor allem Rechte zu haben, also keine Grenzen, kaum Pflichten.


Wirkliche Werte zählen da kaum mehr, nur noch das eigene Recht.


Für viele europäische Fußballfans gehören Bier oder die typischen Fangesänge zum Fußball dazu. Anderes wurde gerade aktuell als „Gejaule“ abgetan. Ein Bierverbot wird nicht akzeptiert. 20 Minuten „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“ oder ähnliches ist also der „einzig wirkliche“ Fangesang? Und Sadio Mané zum Beispiel würde ein Bierverbot im Stadion auch nicht stören. Beim traditionellen Foto des FC Bayern mit den Biergläsern wurde akzeptiert, dass Mané kein Bier trinkt. Aber wenn es in Katar verboten wird, ist das Unverständnis groß.


Wir haben uns solche Monologe, wie Infantino sie losgelassen hat, selber zuzuschreiben. Denn es ist richtig, es ist eine WELTmeisterschaft.


Interessant fand ich auch die Aussage der ZDF-Reporterin, dass Fans aus Lateinamerika entspannter sind in Katar als europäische und dass Berichterstatter aus Lateinamerika das alles nicht ganz so kritisch sehen bzw. den Fokus mehr auf den Fußball legen.


Wir müssen auch auf die Menschen in Katar zugehen, ihre Standpunkte hören und dann gegebenenfalls stichhaltige Gegenargumente bringen. 


Wir Deutschen neigen wie gesagt dazu, unsere Wertvorstellungen und Werte als die alleingültigen und allerbesten hinzustellen. Vielleicht sind sie das auch. Seien wir froh, dass wir sie haben. Aber das ist der falsche Ansatz. Unsere Kultur ist nicht die einzige auf der Welt. Und andere aus einem Welt-Turnier auszuklammern, deren Fans bestrafen, deren Art von Fan-Sein zu belächeln, die Vergabe nur noch an die in unseren Augen traditionellen Fußballländer zu vergeben, all das kann nicht das Ansinnen so eines Turniers sein. Dafür haben wir alle 4 Jahre in Europa ein eigenes Turnier.
Eine Grundregel bei der Vergabe aufstellen, ja. Auf deren Einhaltung oder Umsetzung bestehen, ja. Aber alles andere von vornherein ausschließen? Definitiv nein. Denn jedes Land hat das Recht auf seine Kultur, auch auf seine Fußballkultur, und sei sie noch so klein. Und wir alle können dabei durch den Dialog, durch Interesse und Verständnis voneinander lernen.
Wie heißt es so schön bei uns in Bayern? „Durchs Red’n kommen d’Leit zamm.“ Durch das Reden kommen die Leute zusammen. Nicht durch Wegsehen und Boykott, nicht durch Desinteresse und Einseitigkeit. Und schon gar nicht durch Überheblichkeit.


Fußball ist und bleibt in meinen Augen ein Sport für alle. Das muss man in Katar genauso lernen wie bei uns. Ich würde es begrüßen, wenn das ZDF da ein Zeichen setzen würde.

Comments

November 29, 2022 at 6:51 pm

Aus dem bisherigen Artikel geht hervor, dass die Menschen die Kulturen anderer Völker respektieren sollten. Wenn Sie in Rom sind, verhalten Sie sich wie die Römer.



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner