Nagelsmann und die Kabine
Bundesliga / Allgemein

Julian Nagelsmann und die Kabine

Julian Nagelsmann und die Kabine. Offensichtlich ein Drama in unzähligen Akten. Vor allem in den sozialen Medien, aber auch in den klassischen Medien geistert immer noch häufig die Frage herum „Hatte Julian Nagelsmann die Kabine verloren?“ Besonders Joshua Kimmich wird im Rahmen der aktuellen Länderspielpause immer wieder damit konfrontiert. Doch was heißt das eigentlich, die Kabine zu verlieren?


Und Joshua Kimmich selbst hat auch ein weiteres Argument in den Raum geworfen, das derzeit häufig diskutiert wird: Ein Trainerwechsel bedeute, dass sie als Spieler versagt hätten.
Doch inwieweit haben die Spieler, inwieweit hat der Trainer „schuld“, wenn eine Mannschaft nicht die erwartete Leistung bringt?


2 Fragestellungen, die ich gerne etwas näher beleuchten möchte.


Die Kabine zu verlieren bedeutet wohl zusammengefasst, dass die Mannschaft mit höchstens ein paar Ausnahmen nicht mehr hinter dem Trainer steht, dass der Respekt gegenüber dem Trainer fehlt, dass die Mannschaft im schlimmsten Fall sogar geschlossen gegen ihn spielt, bis er entlassen wird. Das war bei Julian Nagelsmann sicher nicht der Fall. Aber er hatte auch in der „Kabine“ viele Baustellen. Immer mal wieder Unzufriedenheit. Wechsel hier, Wechsel da, mal einer lange auf der Bank, mal der andere unerwartet ausgewechselt. Das sorgt sicher auch für Unsicherheit innerhalb eines Teams. Man hatte zuletzt das Gefühl, dass Nagelsmann seine Souveränität mehr und mehr einbüßt. Dass er keine Baustellen schließen kann, sondern auch selbst immer weitere aufmacht. Zum Beispiel mit seinen Ausrastern oder unbedachten Aussagen. Konnte man die Aufregung nach seinem Spruch über die Freiwillige Feuerwehr als Nicht-Feuerwehrler*in noch als übertrieben ansehen, war sein Spruch Richtung Schiedsrichter schon längst weit unter der Gürtellinie. Zu weit, vielleicht. Souveränität sieht eben anders aus. Das hat mit Emotionen in einem Spiel wenig zu tun. Vielleicht hätte er auf diese Weise die Kabine tatsächlich irgendwann verloren. Aktuell aber sicher höchstens einige Spieler. Doch all diese Baustellen wurden Julian Nagelsmann bzw. seinen Vorgesetzten nun wohl zu viel.


Zum 2. Punkt, den Joshua Kimmich aufgebracht hatte: Wer hat Schuld an einer Niederlage, der Trainer oder die Spieler?


Ich denke, auch da war es die Zeitspanne und die für den FC Bayern ungewohnte Häufigkeit der nicht gewonnenen Spiele.
Wenn eine Mannschaft auf dem Platz nicht das umsetzt, was der Trainer ihr im Training mitgibt, liegt es in diesem einen Moment des Spiels wahrscheinlich wirklich an den Spielern. Doch es ist nun mal die Aufgabe eines Trainers, der Mannschaft verständlich zu machen, was er möchte.


Gelingt ihm das über längere Zeit und wie es beim FC Bayern zuletzt immer wieder passiert ist, bei mehreren Spielern nicht, dann muss sich tatsächlich der Trainer hinterfragen.
Joshua Kimmich ist ein Spieler, der Verantwortung übernimmt, der gerne mal die Schuld bei sich selbst sucht. So sehr ich ihn auch schätze, in diesem Fall bin ich nicht seiner Meinung.
Wenn ein Spieler im Spiel eine gute Chance vergibt, nicht sieht, dass ein Mitspieler besser steht oder durch einen Fehler ein Gegentor einleitet – dann geht das natürlich auf die Kappe des Spielers. Wenn aber immer wieder die Mannschaft im Kollektiv versagt, wie das vor allem in der Rückrunde der vergangenen Saison der Fall war, oder wenn sich so viele Spieler immer wieder schwer tun, das umzusetzen, was der Trainer vorgibt – dann liegt es offensichtlich am Trainer.


Sei es, dass er selbst noch keine klare Linie hat, die er vorgeben kann, oder dass er nicht in der Lage ist, diese Linie den Spielern zu vermitteln. Und das war wohl bei Julian Nagelsmann der Fall.
Vor kurzem habe ich einen Artikel geschrieben, dass Nagelsmann nun endlich den Dreh raus hat und mit der Mannschaft eine Linie gefunden hat. Im Vergleich zur letzten Saison sehe ich auch immer noch eine große Steigerung. Hätte man ihm noch wie geplant bis 2026 Zeit geben können, es hätte vielleicht tatsächlich ein Erfolg werden können. Die Mannschaft hat längst nicht mehr so planlos gewirkt, wie bei den Niederlagen der letzten Saison. Aber diese Zeit hat man beim FC Bayern als Trainer nun mal nicht. Die Niederlage gegen Leverkusen hat diese gerade gefundene Linie wieder etwas zunichte gemacht. Und Nagelsmanns oft wenig souveränes Auftreten hat da sicher auch etwas mit rein gespielt. Das war Kahn, Brazzo & Co. dann wohl zu riskant.


Jetzt aber gilt es, nach vorne zu schauen. Was wäre gewesen wenn, bringt nun nichts mehr. Ich habe ja schon mehrmals deutlich gemacht, dass ich mich freue, dass nun Thomas Tuchel für die Mannschaft verantwortlich ist. Viele erhoffen sich ja, dass er es schafft Leroy Sané und Sadio Mané zu den Leistungen zu verhelfen, die sie eigentlich zeigen könnten. Ich denke, er wird auch Serge Gnabry zu konstanteren Leistungen verhelfen. Vor allem aber sollte er schauen, dass so ein wichtiger Spieler wie Joshua Kimmich, der in den letzten Wochen und Monaten ja schon einiges wegstecken musste, sich all das nicht mehr so sehr zu Herzen nimmt. Dann kehrt vielleicht jetzt erstmal ein bisschen Ruhe ein beim FC Bayern. Zumindest bis zum nächsten Drama.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner